Page 57 - VBE Chronik
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INFLATION UND WELTWIRTSCHAFTSKRISE
EIN EI FÜR 320 MILLIONEN MARK
1923, gut 30 Jahre nach Gründung des Escher Spar- und Darlehnskassenvereins, war in Deutschland fünf Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs immer noch keine Ruhe eingekehrt. Die Siegermächte forderten gemäS Versailler Vertrag Reparationszah- lungen in Höhe von 20 Milliarden Goldmark, französische und belgische Truppen besetzten das Ruhrgebiet nach Auseinandersetzungen über die Zahlungen, Hitler putschte in München.
Und die Wirtschaft lag in Scherben, das Land war bankrott – eine harte Bewäh- rungsprobe für die junge Weimarer Republik. Denn nicht nur die Reparationen mussten gezahlt werden, Schulden hatte der Staat auch beim „kleinen Mann“, der per Kriegsanleihen millionenfach Geld für die Kriegskosten vorgestreckt hatte. Um dennoch den Zahlungsverp ichtungen nachkommen zu können, lieSen die Ver- antwortlichen die Notenpresse anwerfen. Ergebnis: In Deutschland explodierte die In ation. Für die vielen Banknoten gab es keinen materiellen Gegenwert. Kostete am 9. Juni 1923 in Berlin ein Ei 800 Reichsmark, so zahlte man am 2. Dezember dafür 320 Millionen Reichsmark. Banknoten-Bündel wurden zu Heizmaterial, die oft vom Mund abgesparten Rücklagen schmolzen über Nacht weg.
Wer sich allerdings sanierte, waren Schuldner, deren Kredit, etwa für ein Haus auf- genommen, mit einem Schlag null und nichtig wurde, sowie der Staat – seine ge- samten Kriegsschulden von 154 Milliarden Mark betrugen im November 1923 in In ationszahlen gerechnet, gerade einmal 15,4 Pfennige. Mit der Einführung zu- nächst der Renten- und ab Oktober 1924 der Reichsmark begann sich die Situation zu entspannen, die Wirtschaft erholte sich – schon damals durch die Hilfe der USA. Auch für die Genossenschaften war die Lage alles andere als einfach. Die Mark-
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